
Es gibt nur Steine, Steine, Steine überall…
Und wir haben nichts… Moment, das ging irgendwie anders.
Sonntag, 18.10.2020: die Nacht von Samstag auf Sonntag konnten wir noch auf der Iolkos verbringen, da das Boot in der Folgewoche nicht mehr verchartert war. Überhaupt waren in der gesamten Marina scheinbar kaum Boote belegt, vermutlich wegen der Kombination aus Saisonende und den besonderen Umständen.
Als ich gegen 7 Uhr aufwache, sind Tobi, Ben und Julia schon verschwunden. André, Arne und ich frühstücken noch zusammen, bringen den letzten Müll von Bord, und überlassen das Boot dem Vercharterer. Wir teilen uns noch ein Taxi in die Stadt; die anderen zwei fliegen gegen Abend ab und verbringen den Tag in der Stadt, ich fahre weiter zum Mietwagenbüro und bin auf mich alleine gestellt. Die Formalitäten sind schnell erledigt, erstes Ziel: bloß erstmal raus aus dem Athener Verkehr. Nicht, dass ich nicht schon deutlich schlimmeres erlebt hätte auf diversen Reisen, aber für gewöhnlich kann ich mich zurücklehnen und entspannt zusehen, wie mich irgendein Taxi- oder Busfahrer mit oft fragwürdiger Fahrweise scheinbar umbringen will. Jetzt muss ich das selbst übernehmen!
Nachdem ich auf der Stadtautobahn bin, ist der stressigste Teil ganz gut überstanden. Zu meinen Entsetzen stelle ich fest, das Autoradio hat kein Bluetooth… Nach ein paar Minuten Fahrt sehe ich vor mir den kristallblauen Saronischen Golf (ganz romantisch mit diversen Frachtschiffen), aus dem Radio tönt „Paradise City“ von Guns n‘ Roses aus den Lautsprechern – das setzt eine gute Grundstimmung!
Wie startet man in einer Woche Griechenland? Nach Fachmänner Beratung und ein wenig Lektüre, wusste ich: Entweder Inseln oder Steine anschauen (auch wenn Inseln prinzipiell natürlich auch Steine sind). Inseln habe ich vom Wasser aus gesehen, also auf zu den Steinen! Erster Stopp:
Mykene

In Mykene gibt es erstmal extrem alte Steine! Die älteste Stadtmauer stammt aus dem 14. Jahrhundert vor Christus, daran gemessen ist hier noch alles recht gut in Schuss! Ich spare mir an dieser Stelle mal diverse historische Ausflüge (einst wichtigste Stadt des heutigen Griechenlands, älteste europäische Hochkultur, usw.); Wikipedia kann das bei Bedarf deutlich besser beschreiben als ich. Darum einfach nur ein paar Fotos…


…und es geht weiter im Text (bzw. mit der Fahrt) nach
Nafplio

Nafplio ist etwas weiter im Süden gelegen, und ein idyllisches, kleines Städtchen am Argolischen Golf (bis dorthin sind wir beim Segeln nicht gekommen). In Nafplio gibt es primär Festungen zu besichtigen, und zwar 3 Stück davon.

Im Bild: Die kleine Bourtzi-Festung auf der Insel (ich glaube nicht zu besichtigen, in ein Baugerüst gehüllt), mittig links auf dem kleinen Hügel die Akronauplia-Festung (kann man zumindest rauflaufen), und ein paar Mauern der am höchsten gelegenen Palamidi-Festung. Ich bin entsprechend primär auf dieser höchsten Festung umhergewandert. Die Festung ist auch recht riesig – daran gedacht, ein entsprechendes Foto (z.B. aus dem Tal) zu machen, habe ich natürlich nicht… im Kopf war ich zu diesem Zeitpunkt leider immer noch ein bisschen beim Segeln, was sich auch für den Rest des Urlaubs kaum ändern sollte.


Hier verbringe ich die erste Nacht, in der ich kurz aufwache und mich wundere, warum das Cockpit des Segelbootes so merkwürdig aussieht. Ich suche verwundert im Dunkeln den Weg ins Schiffsinnere, bevor ich merke, wo ich eigentlich bin. Woher die Verwirrung? Es schaukelt alles so schön. Ja, an Land haben wir auch die Seekrankheit. Wir nennen sie „Landseekrankheit.“ Das beruhigende Schaukeln hilft dann aber auch wieder beim schnellen Einschlafen.
Am nächsten Morgen zieht es mich quer über Peloponnes durch
Die Arkadien

Es folgt ein autolastiger Tag. Statt Guns ’n‘ Roses tönt aus den Lautsprechern des Radios… griechische Volksmusik. Oder auch griechische Popmusik. Oder… zu weiten Teilen auch gar nichts, und ich singe lieber selbst. Das klingt nicht unbedingt schön, aber es vermittelt mir das Gefühl, mich akustisch für die sehr homogene Radiowahl rächen zu können. Zwischendurch genieße ich immer mal wieder die Aussicht, oder gehe ein paar Schritte durch die Berge spazieren.

(Ja, spazieren. Nicht wandern.)


Streng genommen habe ich mir also wieder den Großteil des Tages lang Steine angeschaut. Aber in ihrer natürlichen Umgebung!

Am Abend des Tages erreiche ich das Tagesziel
Olympia

Am Abend schaffe ich es, den Blogeintrag über’s Segeln zu vollenden (glaube ich) und bin stolz, damit nur wenige Tage in Verzug geraten zu sein. Ich genieße eine weitere Nacht, in der ich sanft schaukelnd in die Traumwelt entgleite. Diesmal weiß ich aber durchgehend, wo ich eigentlich bin.
In Olympia gibt es – wer hätte es gedacht – mehr Steine! So viele und so alte Steine, dass ich mir einen ganzen Tag dafür Zeit nehme!

Olympia ist nicht nur (Überraschung!) Ursprungsort der olympischen Spiele, die hier zwischen dem 8. Jahrhundert vor und dem 4. Jahrhundert nach Christus ausgerichtet wurden, sondern auch Heimatort des Zeusorakels und des Zeustempels.

Einigermaßen logisch, wenn man als nächsten Nachbarn einen leicht cholerischen Göttervater hat, der bekannt dafür ist, bei kleineren Streitigkeiten mit Blitzen um sich zu werfen, muss man vermutlich nicht lange überlegen, wem man denn seine Tempel widmen sollte. Vom Zeustempel selbst ist leider nicht mehr allzu viel übrig:

Die restlichen Säulenteile liegen verstreut um den Tempel herum.

Einige der Verzierungen befinden sich noch im um die Ecke gelegenen Olympia-Museum.

Das wichtigste Artefakt ist aber leider im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen (bzw. vermutlich kaputtgeschlagen und in Teilen verkauft): Die Zeusstatue des Phidias: Eine 13 Meter hohe Statue des – richtig – Zeus aus Gold und Elfenbein. Vermutlich nicht umsonst eines der Sieben Weltwunder der Antike, ist davon leider nicht ein Stückchen mehr übriggeblieben.

Am besten erhalten in der ganzen Anlage ist das

…südwestliche Gebäude. Ja, so ist es benannt. ¯\_(ツ)_/¯ War bestimmt mal eine Taverne (oder ein Freudenhaus, wofür man sich jetzt schämt).
Ebenfalls bedeutsam war in der Antike das Orakel von Olympia, das primär von diversen Feldherren in Kriegsfragen zu Rate gezogen wurde. Am Ende eines sehr steinlastigen Besichtigungstages komme ich zu dem Schluss, dass so ein Orakel bestimmt auch mich super beraten kann – wenn man eineinhalb Jahrtausende lang arbeitslos war, ist man bestimmt auch für diesen Job dankbar. Meine erste Frage, ob ein Datenbank-Witz an dieser Stelle witzig sei, wird verneint (Sorry Kollegen). Die Frage nach meiner Weiterreise wird dafür erfreulicher beantwortet, nach zwei Nächten in Olympia reise ich weiter nach
Mani

Mani ist (blätter blätter blätter…) laut meinem Reiseführer eine Halbinsel. Auf der Halbinsel Peloponnes. Griechenland ist bekannt als Heimat großer Philosophen. Einen nicht unerheblichen Teil der Autofahrt verbringe ich entsprechend damit, zu philosophieren ob Mani damit eine Viertelinsel oder eine Dreiviertelinsel ist. Ohne die Pro- und Contra-Argumente hier im Einzelnen aufführen zu wollen, komme ich zu dem Schluss: Mani ist eine Dreiviertelinsel. Ich bin aber offen für weitere Diskussionen, sollte da Abklärungsbedarf bestehen.
Meine Basis für zwei Nächte ist das kleine Städchten Areopolis.

Über eineinhalb Tage fahre ich hier eigentlich nur ein bisschen umher, freue mich über schöne Buchten,

kleine Städtchen,

kleine Städtchen in Buchten….

Buchten ohne Städtchen…

Städtchen ohne Buchten,

und ehemaligen Städtchen.

Damit kann man nicht den ganzen Tag verbringen? Stimmt, zwischendurch trinke ich auch immer mal wieder Kaffee in kleinen Städtchen in Buchten!

Nach drei Tagen Steinegucken ist das eine extrem erholsame Abwechslung… auch wenn ich zugeben muss, das mit dem Steinegucken nochmal versucht zu haben: Der ganz südlich gelegene Poseidon-Tempel gibt leider nicht besonders viel her. „Eingang zum Hades“ klingt übrigens auch viel cooler als es ist, ich würde es im allgemeinen eher als „Fels mit kleinem Loch“ bezeichnen.
Weiters gibt es in der direkten Nähe noch eine Tropfsteinhöhle, die „meistebesuchte Sehenswürdigkeit Manis.“

5 bis 10 Minuten Bootsfahrt später und 10 Euro ärmer stelle ich fest: „Ja, das war eine Tropfsteinhöhle.“
Fazit: Oberhalb der Steinwelt ist es dann doch interessanter als im Inneren!
Nach zwei Nächten nehme ich mir die Zeit und fahre wieder an den Ursprungsort zurück, nach
Athen
Am Freitag (falls man sich als Leser hier fragt, was an welchem Tag passiert ist: Ist nicht so wichtig, während der Reise war ich meist auch selbst extrem verwirrt, welcher Tag gerade ist) komme ich gegen Mittag wieder in Athen an. Zur Stadt selbst habe ich noch nicht viel gesagt. Einen halben Tag habe ich mit Arne vor dem Segeln dort verbracht: Die Altstadt um die Akropolis ist ganz nett, außerhalb der Altstadt ist Athen… vorhanden. Viel davon, und viel Smog. Den halben Tag haben wir mit ein bisschen durch die Stadt bummeln, Kaffeetrinken und Essen verbracht. Den halben Tag am Freitag verbringe ich mich… durch die Stadt bummeln, Kaffeetrinken und Essen. If it ain’t broke, don’t fix it.
Am Samstag nehme ich mir noch etwas Kultur (Steine) vor, besichtige das Akropolis-Museum und:

Wer hätte es erwartet, die Akropolis! Hier ist man mit dem Aufbauen etwas motivierter als in Olympia.



Oben thront das wohl bekannteste Wahrzeichen der Stadt

gut in diverse Baugerüste verpackt.

Wer schonmal ein Bild der Akropolis auf Postkarten oder ähnlichem gesehen hat, auf dem keine Baugerüste oder -kräne zu sehen waren: Das Bild stammt in diesem Fall aus den frühen 80er Jahren (oder natürlich etwas früher). Die Griechen sind hier fleißig am Restaurieren, Instandhalten, und Schützen der Bauwerke vor dem aggressiven Smog. Nett ist es allemal. Leider aufgrund von Beschränkungen momentan ein wenig eingeschränkt zu besichtigen (und wehe, man hält sich nicht an die vorgeschriebene, aber nicht markierte Laufrichtung – dann wird man von den strategisch so weit wie möglich von der Weggabelung entfernt platzierten Ordnern angewiesen, doch bitte in die richtige Richtung zu laufen. Und welcher Tourist fühlt sich von „You, sir, please walk to the right“ auf 30 Metern Entfernung nicht angesprochen…). Eigentlich wollte ich dort oben noch den Sonnenuntergang beobachten, was mir dann aber doch zu lange dauert. Ich mache noch ein Abschiedsfoto

und beschließe damit das Sightseeing.
Abschließend muss ich sagen, dass ich mit Athen nicht unbedingt warm geworden bin – das liegt aber eventuell auch daran, dass das generelle Abstandhalten in der Stadt nicht gerade einfacher ist, was natürlich nicht zum Wohlbefinden beiträgt. Von etwa 10 Millionen Griechen wohnen hier etwa 4 Millionen… irgendwo müssen sie ja wohl hin… Ohne Covid-19 (jetzt hab ich’s doch erwähnt…) hätte ich die Rückreise vom Segeltörn gerne auf dem Landweg durch Osteuropa bestritten, aber durch eine immer roter werdende Europakarte hatte sich das erledigt. Stattdessen sah meine Route schlussendlich in etwa folgendermaßen aus:

Am Sonntagmorgen packe ich dann schließlich meine Sachen, begebe mich zum Flughafen, und bin am Nachmittag (etwas glücklicher als sonst darüber, wieder zuhause zu sein) in Stuttgart bei Butterbrezeln und deutschem Bier (Na gut, Radler…).