
Agay – Saint-Tropez: Was für ein Plan?
Am Dienstag, 10. Juni, sollte der vorletzte Fahrradtag anstehen. Von Agay aus sind es 180km bis Marseille, was auch bei warmen Temperaturen gut machbar sein sollte. Auch wenn vor Marseille noch einmal ein 400 Meter hoher Alpenausläufer zu überwinden sein sollte.
Die Heimfahrt hatten wir am Vorabend noch (hoffentlich erfolgreich) organisiert.
Abfahrt war um 6:30 Uhr, ich hatte auf etwas längerem Schlafen (bis 5:30) bestanden.

Nach einer halben Stunde Fahrt bei der Bäckerpause entdeckte ich einen blinden Passagier.

Endlich mal wieder ein fütterbares Tier, und setzte den Mitreisenden in einem Gebüsch ab.
Die Fahrt startete etwas abseits des Meeres und führte uns zunächst etwas im Inland im Schatten entlang.

Bald darauf ging es aber auch schon wieder an den Strand!

Hier fuhr vor mir ein langsamer Rennradfahrer – da muss man immer ein bisschen vorsichtig mit dem Überholen sein, ob man auch wirklich dauerhaft schneller ist. Nach einer kurzen Evaluierungsphase: Jawoll, war ich. Also überholt und mit Druck weitergefahren.
Hinter mir erstmal kein Arne – okay, vielleicht noch ein bisschen Windschattenfahren. Nach ein paar Minuten fahre ich deutlich langsamer, der Rennradfahrer wieder vorbei, und ich konnte Arne am Horizont herankriechen sehen. Und er deutete Anhalten an.
Diagnose: Tretlager gesprengt. Fuck. Man konnte zwar noch treten, die Pedale rühren dabei aber wie der Kochlöffel im Topf umher, und lange geht das nicht gut. Ein paar Kilometer weiter war ein Fahrradladen: Der Verkäufer war freundlich: Zeit hatten sie nicht, aber wir könnten die Werkstatt nutzen.

Sah erst einmal toll aus, aber die Werkstatt war primär auf kleine Pannen (Schläuche, Flicken, Bremsen) eingestellt. Dafür hätte ich auch genug Werkzeug dabei. Weiter zum nächsten Fahrradladen: der Verkäufer informierte uns direkt dass Lager schwierig sind, weil es so viele verschiedene gibt (Ja, ich weiß…). Sie haben die Kurbel dann selbst einmal abgeschraubt.

Ergebnis: vom Lagertyp haben sie einige da, aber nicht die passende Variante. Bestellen würde ein paar Tage dauern. Keine Option, bis Mittwochabend müssten wir in Marseille sein.
Wir waren hier kurz vor Saint-Tropez. Für uns einigermaßen überraschend besitzt Saint-Tropez keinen Bahnhof. Der nächste einfach zu erreichende Bahnhof (Steigung und Entfernung kombiniert) lag hinter uns. Das Tretlager hat, so wie es aussah, einfach mal die linke Seite komplett ausgeworfen.
Wir sind dann mit dem schwammigen Lager noch zurück zur Touristinfo um dort die Information zu erhalten, dass es einen Bus nach Saint-Raphaël gäbe, der auch Fahrräder mitnehmen könnte. Die Probleme hatten vor 10:00 Uhr begonnen, inzwischen war es nach 11. Der Bus sollte erst nach 15:00 Uhr fahren… Wir fuhren also noch einmal zum ersten, näher gelegenen Fahrradladen und fragten dort einen anderen Mitarbeiter, ob er uns helfen könnte ein Taxi zu rufen, das beide oder zumindest ein Fahrrad nach Saint-Raphaël bringen könnte. Er bot uns an, dass er uns fahren könnte, überlegte kurz, und nannte dann den eher stolzen Preis von 250€ für 20km Fahrt. Ein Taxi zu rufen lehnte er ab, das sei sein einziges Angebot.
Als nächstes gab es den Versuch, einen anderen als den uns genannten Bus in die richtige Richtung zu nehmen: Der Busfahrer lehnte es direkt ab, Fahrräder mitzunehmen.
Also MacGyverten wir eine Notlösung

und machten uns auf die 7km lange Fahrt Richtung Sainte-Maxime. Das reichte mit viel Knacken und Knarren für die paar Kilometer, um den Rest des Lagers einigermaßen in Position zu halten.
Meine Idee, meinen Spanngurt zu nutzen um sein Rad damit zu ziehen, lehnte Arne ab. Vielleicht war das auch besser für die Unfallstatistik.
Wir schafften es schlussendlich nach Saint-Maxime. Nach zehn oder 15 Minuten fuhr auch ein Bus ein. Ich fragte ob er nach Saint-Raphaël fahren würde – das wurde bejaht. Ich fragte ob es möglich sei zwei Fahrräder mitzunehmen – darauf begann der Busfahrer sehr wild zu schimpfen. Wir hatten ja etwas Verhandlungsspielraum: ein Fahrrad würde reichen. Er war immer noch nicht begeistert, schimpfte wie ein Rohrspatz, und stieg wieder in seinen Bus, stieg dann aber doch wieder aus und öffnete das Gepäckfach. Also legten wir Arnes Fahrrad einfach mal in den Gepäckraum und schauten was passiert.
Für Arne endete unsere Ausfahrt dann also auf diese Weise.

Ich radelte den Weg nach Saint-Raphaël dann eben alleine zurück. Die 20km drückte ich noch einmal richtig aufs Gas, in der Hoffnung dass es reichen würde den nächsten Zug nach Marseille zu erwischen.
Ich kam ziemlich verschwitzt und etwas unterzuckert irgendwann nach 14 Uhr an. Der nächste Zug nach Marseille fuhr dann aber erst irgendwann nach 16 Uhr. Also Zeit für ein kleines Resümee:

Wie sollte es nun weitergehen? Der ursprüngliche Plan (zu Beginn) sah einmal vor, am Donnerstag nach Marseille einzufahren, den TGV nach Strasbourg zu nehmen, dort kurz über die Grenze zu radeln und dann über Karlsruhe nach Stuttgart mit dem Regionalverkehr zu fahren. Das fiel bekanntermaßen aus. Unsere organisierte Alternative sah dann so aus, am Mittwochabend in Marseille anzukommen, am Donnerstag mit dem Zug nach Lyon zu fahren, und am Freitag dann über Genf und Zürich nach Stuttgart. Diese Zugfahrten waren soweit auch schon gebucht. Entsprechend warteten wir auf den Zug nach Marseille, um dort den mehr oder weniger verdienten Ruhetag einzulegen.
Damit war unsere kleine Radtour für dieses Jahr beendet – wenn auch etwas vorzeitig.

Überwiegend erfolgreich: Alpen überquert, bis ans Mittelmeer gefahren, und die Riviera zu guten Teilen besichtigt. Dass es schiefgehen könnte, war uns vorher klar; dass es so kurz vor dem Ziel gerade an einem Tretlager scheitern würde, ist aber extrem ärgerlich und hinterlässt einen faden Beigeschmack.
Das Titelbild zeigt eins der wenigen Fotos, die ich in Marseille aufgenommen habe. Die Stadt ist (meinem persönlichen Empfinden nach) nicht besonders sehenswert. Wir saßen also viel in Cafés und waren einmal die Kathedrale besichtigen. In Lyon sah es ähnlich aus (ohne Kathedrale).
An dieser Stelle springen wir noch einmal kurz vor Saint-Tropez: Hier tönte auf der Fahrt zum zweiten Fahrradladen eine wirklich merkwürdige Tröte hinter uns. Wir machten Platz und wurden von einer Nonne mit einer Gendarmpuppe auf dem Gepäckträger überholt.
Ich sagte laut zu Arne „NEIN!“
(keine Reaktion)
Gut, dann sagte ich es eben selbst: „DOCH!“
Die gute war ziemlich fix unterwegs, es war entweder ein E-Bike oder Mofa. Ich radelte so schnell wie möglich hinterher, um zumindest mit viel Zoom noch ein Foto vom bekannten Gendarm von Saint-Tropez (wer ihn nicht kennt, sollte die Bildungslücke wirklich schließen) beim nächsten Überholvorgang zu schießen:

Und ich konnte erleichtert sagen: „Ooohhhh!“