
Lettland
Nach einer maximal mittelprächtigen Nacht – aber immerhin mit (digitaler) Busfahrkarte in der Tasche ging es am frühen Dienstagmorgen auf zum Busbahnhof. Die Fahrt im vollen Minibus war jetzt auch nicht unbedingt ein Vergnügen, war aber immerhin zeitlich überschaubar! Läppische (oder eigentlich lettische) viereinhalb Stunden später war ich in der Stadt angekommen, in der der italienische Einwanderer Toni Falsita im 14. Jahrhundert die Rigatoni erfand:
Riga
Neben den obligatorischen Punkten (Hotel finden, Nahrungsaufnahme) musste ich mich hier noch um eine Simkarte bemühen, um grundlegende Kommunikation unterwegs zu ermöglichen. Die schlimmsten Auswirkungen des Verlusts am Vortag (zumindest die Reise betreffend) waren damit erstmal ausgebügelt, und ich konnte – bei insgesamt gutem, wenn auch leider schneelosen, Wetter – die historische Hansestadt erkunden! Und ich muss sagen: Riga ist ziemlich schön!
Das historische Zentrum ist gar nicht ganz klein, mittelalterlich-typisch von diversen kleinen Gassen und Innenhöfen sowie diversen großen Plätzen geprägt. Aber auch außerhalb des Zentrums, in der sogenannten Neustadt, ist es durchaus ansehnlich!



Ich war ja bereits in diversen ehemaligen sozialistischen Staaten unterwegs, die häufig durch das von mir mit „postsovietischem Charme“ bezeichnete Aussehen geprägt sind: Ein paar zentral gelegene Prachtbauten, manchmal (aber nicht immer) umringt von etwas weitläufiger gehaltenen, ganz hübschen Anlagen, an die sich dann Plattenbauten und andere heruntergekommene, oft leerstehende Gebäude (industriell oder auch nicht) anschließen. Hier in Riga haben sie diesen Schritt auf jeden Fall gut überwunden!
Stadt hier allerdings nur ein paar Fotos rauszuhauen, muss ich aber natürlich auch ein paar Worte dazu schreiben. Das von außen eindrucksvollste Gebäude ist sicherlich das Schwarzhäupterhaus:

Die Schwarzhäupter waren, je nachdem welchen Darstellungen ich am meisten glauben schenken darf, ein bisschen eine Mischung aus Händlergilde und Junggesellenverein – das Klubhaus hier war zwischenzeitlich ziemlich heruntergekommen und wurde dann irgendwann von den Soviets gesprengt (wegen… Gründen?), dann im Jahr 1999 wieder aufgebaut. Im Inneren befindet sich ein ganz interessantes Museum über die Geschichte Rigas als Handelsstadt. Dazu eine zufällige Auswahl an Fotos!




Draußen vor dem Haus gibt’s außerdem ein kleines Denkmal:

An diesem Ort wurde im Jahr 1510 von der (vermutlich betrunkenen) Händlervereinigung der Weihnachtsbaum erfunden – wobei auf das Aufstellen und Schmücken hier das direkte Verbrennen des Baumes folgte – eine Tradition, die heute meistens nur noch eher unfreiwillig begangen wird.
Vor einer der vielen Kirchen findet sich außerdem dieses etwas eigensinnige, tierische Denkmal:

Wer sie nicht direkt erkennt: Esel, Hund, Katze und Hahn, die wohl prominentesten Vertreter der Hansestadt Bremen (was eigentlich schon alles über Bremen sagen sollte). Nach dem Fall des eisernen Vorhangs Anfang der 90er Jahre war der damalige Bremer Oberbürgermeister zu Besuch in der Stadt, um den neu entstandenen Staat zu seiner Unabhängigkeit zu beglückwünschen – die Feierlichkeiten schlugen damals aber wohl ein wenig über die Grenzen, und der OB kotzte am nächsten Morgen beim offiziellen Besuch im Regierungspalast – in Anlehnung daran wurde diese Skulptur mit den etwas… merkwürdig dreinschauenden Stadtmusikanten als zweifelhafte Ehre aufgestellt.
Warum heißt dieser Artikel jetzt nicht einfach nur Riga? Von meinen zweieinhalb Tagen hier habe ich einen außerhalb der Stadt verbracht, im Gaujas Nationalpark. Ursprünglich wollte ich dorthin um die dortigen bieten bzw. Schlösser bei
Sigulda

anzuschauen, das ganze ging aber schon wenig vielversprechend los: Das neue Schloss von Sigulda war wegen Renovierung geschlossen. Gut, nicht so schlimm: direkt dahinter befand sich sie teilweise rekonstruierte Ruine einer alten Burg des Livonischen Ordens (dem Lokalableger des Deutschen Ordens, so 14. bis 16. Jahrhundert). Es ist ja eigentlich keiner meiner Reiseberichte vollständig, bis ich ein bisschen über meine Höhenangst gejammert habe – hier war es dann endlich wieder so weit!



In der Ferne konnte ich hier vom Wachturm auch die zwei anderen Tagesziele schon erkennen!


Von diesen trennte mich nur eine Schlucht, die sich schnell und bequem per Seilbahn überqueren ließ, oder mit einem langen Fußmarsch durchs Tal… Ich beschloss also, dass die Seilbahn geschlossen hatte, und machte mich auf den langen Weg. Beim nächsten Schloss angekommen offenbarte sich: Hier wurde aber länger nicht geputzt.

Laut aufgestellten Hinweistafeln sollte sich hier ein gehobenes Spa befinden… Das nebenan gelegene Cafe hatte zwar geöffnet, wirkte aber ebenfalls nicht besonders überzeugend. Der umgehende Hof war hübsch…. Das war’s aber auch.

Hier Stelle ich dann sogar fest, dass die Seilbahn sogar wirklich geschlossen war (ich muss echt überzeugend im leugnen meiner Höhenangst geworden sein)! Also ging es wiederum weiter bergab und bergauf durch die Natur. Wirklich Schnee lag hier leider nicht, aber man erkennt auf den Bildern teilweise Frost… Wo Frost ist, ist auch Eis merke ich mir ab sofort, nachdem ich gelernt habe dass ich eine dickere Eisschicht auf einem Weg nicht mit meinem Ellenbogen knacken kann. Es ist aber noch alles dran, also bitte keine Sorgen. Nach einem weiteren Zwischenstopp bei einer kleinen Höhle voll mit mittelalterlichen Graffiti


sowie einer ganzen Menge gefrorenen Steintreppen des Todes war ich dann beim letzten Ziel angekommen: der Burg von Turaida!





Wie auf den Bildern sehr schon zu erkennen ist, wurden hier in Turaida im Jahr 1214 in der örtlichen Steinmetzgilde die heute weltweit bekannten Lehmziegel und der Mörtel entwickelt – technologisch zu weit seiner Zeit voraus, dauerte es noch etwas bis sich diese neue Erfindung durchsetzte!
Fast hätte ich es vergessen zu erwähnen: In der Burg des Livonischen Ordens habe ich einen weiteren Thron entdeckt, den es zu erklimmen galt!

Damit schließe ich den Beitrag über Lettland ab, in das ich vermutlich anschließend nur noch zur Durchreise zurückkehren werde! Riga verlassen habe am Freitag, 7.2.2020!